Home Projekte Termine Galerie Kids

 

 

Was juckt uns der Müll?

 

WeTo, unter diesem Kürzel versuchten 1994 Bürger aus Bielefelds Stadteilen Altenhagen und Baumheide, sich mit der Zielsetzung: „Weniger Tonnen in die MVA“, in die politische Diskussion einzumischen. Zum damaligen Zeitpunkt, es wurden 270 000t/a verbrannt, waren es vor allem die Dioxine, die zwar nicht sichtbar, aber die rauchenden Schlote ständig vor Augen, subjektiv die Stimmung vor Ort sieden ließen.

Plötzlich änderte sich die Ausgangslage grundsätzlich. Wollte man bisher die MVA als möglichst überflüssig gelten lassen, galt es nun, nachdem bekannt wurde, dass die Träger der Anlage, die Stadt Bielefeld und der Kreis Herford, nach der Millionen-Pleite im Zusammenhang mit der „Deponie Laar“, aus Geldnot die MVA verkaufen wollten. Offensichtlich wurde, dass es demnächst nur noch einen geringen demokratischen Einfluss auf die Anlage geben würde. Schnelles handeln war gefordert. Innerhalb kürzester Zeit wurde von WeTo-Mitgliedern, ein Bürgerbegehren gegen die Privatisierung der MVA initiiert


Politische Spiele
Der Ausgang sollte noch bekannt sein: Nachdem schon 20 000 der geforderten 24 000 Unterschriften wahlberechtigter Bielefelder gesammelt waren, unterschrieb die damalige Oberbürgermeisterin, Angelika Doppheide (SPD), den Kaufvertrag und die Bürgerbeteiligung wurde vor die Wand gesetzt. Bündnis 90/Die Grünen, vormals Verfechter basisdemokratischer Verhaltensweisen, unterwarfen sich der SPD-Stadtwerke-Fraktion wohl auch aus Gründen des Machterhalts, denn schließlich regierte „grün“ mit der SPD zusammen die Stadt. Ja, und dann die „Garantie“… nur 300 000 t/a. Wir haben das geglaubt…

Die „Gegner“ der MVA, die Bürgerinitiativen „Besser leben und wohnen in Baumheide“ und „GiftmülldepoNie Bad Salzuflen“ blieben nicht in der Schmollecke sitzen, brachten sich stattdessen in den vergangenen Jahren immer wieder in Entscheidungsprozesse der MVA konstruktiv ein. Diesen Initiativen und vor allem dem Wirken des früheren Umweltdezernenten der Stadt Bielefeld, Uwe Lahl, ist es zu verdanken, dass vor Ort eine MVA betrieben wird, die zumindest in Deutschland positive Maßstäbe setzt.



Alles für die Katz?
Und nun ist doch wieder alles „für die Katz“? Nach den Absichten der MVA-Betreiber soll die MVA demnächst einer „Leistungserhöhung“ unterzogen werden. Was heißt das?
1. Steigerung der Verbrennungsmenge aller Müllkessel um ca. 22 %
2. Durchführung zur Verbesserung der Rauchgasreinigung und Einbau automatisierter Feuerleistungsregelung.
3. Optimierung der Energieerzeugung durch den Bau einer zusätzlichen Dampfturbine.

Die Durchführung der Punkte 2 und 3 sind quasi das Zuckerbrot und in jedem Fall zu begrüßen. Der Knackpunkt wäre dann die Steigerung der „Durchsatzleistung“, wie die Antragsteller schon fast prosaisch die Verbrennungsmenge bezeichnen. Aber, Sch…. bleibt Sch…. , egal wie man sie auch bezeichnet.

Bezogen auf einen mittleren Heizwert des Mülls von 11.5 MJ/kg, kommt nun eine rechnerische Verbrennungsmenge von fast 500 000 t/a auf uns zu. In der Praxis wird die reale Verbrennungsmenge bei 440 000 t/a liegen, was dann der Steigerung von heute 360 000 t/a um 22 % entspricht. Der LKW-Verkehr für die Anlage wird sich von etwa 200 auf dann annähernd 250 Fahrzeuge erhöhen. Bezogen auf den Gesamtverkehr, eher ein Randproblem. In den angrenzenden Wohngebieten sieht es dann doch gravierender aus. Mit anderen Worten, quantitativ mehr Schadstoffe in der Luft und mehr Feinstaub- und Lärm verursachender Verkehr vor der Haustür. Weder für die Menschen in Baumheide, in Altenhagen oder in Lockhausen ein Grund zur Freude.


Dilemma
Ginge es nach den MVA-Betreibern, dann sollten wir allerdings Freude zeigen. Schließlich soll durch eine technische Optimierung der Anlage demnächst (umweltfreundlich?) mehr Energie (Strom und Fernwärme) erzeugt werden. Weniger fossile Brennstoffe führen zur Minderung des Klimawirkstoffs Kohlendioxid. So weit so gut. Die technische Veränderung findet unseren Beifall. Aber warum ist der Fortschritt nur mit einem Rückschritt zu leisten? Wir befinden uns in einem Dilemma: Unsere ökologischen Interessen stehen im strengen Gegensatz zu den ökonomischen Interessen der MVA-Betreiber. Erhöhung des Durchsatzes heißt für die einen noch mehr Umweltbelastung und für die anderen klingelnde Kasse. Das was heute Stand der Dinge ist, ist unser bisher zähneknirschend akzeptierter Kompromiss. Jetzt wäre jede Veränderung nur noch unter den Bedingungen des regionalen Notstandes zu akzeptieren. Und genau den hat die MVA nicht nachgewiesen.

Für die künftigen Abfallmengen rechnen das beauftragte Prognos-Institut und die Bezirksregierung Detmold mit deutlich differierenden Zahlen. Wie dem auch sei, beide haben ihre Berechnungen auf der Grundlage der geltenden Regeln erbracht. Dazu zählte die Vorgabe, dass seit Juni 2005 kein unbehandelter Abfall mehr deponiert werden darf. Nun hat sich herausgestellt, dass in der Gesamtheit, weder die MVA´s und die Mechanisch-Biologischen-Anlagen (MBA) der Entsorgungsproblematik Herr werden. Selbst wenn die, sich noch in der „Optimierung“ befindlichen MBA´s, einmal zufrieden stellend laufen werden, bleibt immer noch eine „Behandlungslücke“ in Höhe von 6-7 Mio. Tonnen in Deutschland. Von daher ist die „Leistungserhöhung“ in Bielefeld schon eine Konsequenz auf die scheinbare Not. Nur, die Not ist von den Umweltministern der Länder im Mai 2006 erheblich relativiert worden.

Entgegen den früheren Ankündigungen wurden die Qualitätsanforderungen für die Ablagerung von Abfällen auf Deponien ökologisch wieder aufgeweicht. Hintergrund sind die immer noch vorhandenen Probleme der MBA, die es teilweise nicht schaffen, die geltenden Grenzwerte einzuhalten. Also ein weiteres Dilemma: Entweder mehr verbrennen oder die Senkung der Standards für die Ablagerung akzeptieren.


Was tun?
Die Umweltminister haben sich für die zweite Variante entschieden. Die Probleme werden durch Zwischenlager gelöst, bis Verarbeitungskapazitäten frei werden. Das ist sicherlich kein ökologischer Befreiungsschlag, könnte aber für uns auch ein Weg sein, zumal ja in einigen Jahren der Müllnotstand nicht mehr gegeben sein wird… jedenfalls behaupten das die Prognostiker. Würde es allerdings zur Erweiterung der Verbrennungskapazität kommen, wäre das ein falsches Signal: Macht ruhig noch mehr Müll, wie sorgen schon für die Problemlösung. Nein! Genug!

Und möglichen weiteren „Garantien“, dass es damit nun genug wäre, vertrauen wir nicht mehr. Stattdessen müssen wir uns durch massenhafte Einwendungen bemerkbar machen. Bis zum 4. Oktober haben wir Zeit dafür. Und damit wir auch Verwertbares in den Händen halten werden wir noch einiges an Aktenstudium hinter uns bringen müssen. Zum Herbstfest der BI werden wir Einwenderlisten vorhalten und hoffen, dass sich viele an den Einwendungen beteiligen. Wer also will, dass Schluss, mit noch mehr Verbrennung, sein soll, der ist am 1. Oktober dabei!

Gerd-Jürgen Rieckmann-Kreye